Bericht zum virtuellen LFT2021 Bremen

LFT2021 Bremen, Freitag, 21.5., bis Sonntag, 23.5.2021

Das hybride LFT2021 Bremen ist Geschichte. Über 700 Teilnehmerinnen aus 25 Ländern waren während der zweieinhalb Tage am virtuellen LFT2021 mit dem Motto «Lesbenfrühling – rising to the roots» präsent. Gemeinsam mit einem tollen Team hat es die Orga gegen alle Widerstände und Shitstorms geschafft, sowohl Teilnehmerinnen als auch Referentinnen und Musikerinnen vom 21. bis 23. Mai mitunter ein reales LFT-Feeling zu vermitteln.

Das Konzept des ehrenamtlichen Orga-Teams ist gegen alle Widerstände aufgegangen, was nur durch die unglaubliche Unterstützung vieler möglich war, nicht zuletzt und besonders von unserer Regiefrau, den beiden Kamerafrauen und dem Technikteam als auch durch die aktive Mitarbeit von Lesben vom Verein Lesbenfrühling e.V. Trotz aller medialen Angriffe in Form eines sich seit Mitte April steigernden Shitstorms wegen vermeintlicher «Transphobie» konnte das vielfältige und spannende internationale Programm die Teilnehmerinnen sowohl am Tag als auch am Abend begeistern.
In den qualitativ hochstehenden lesben-kultur-politischen Vorträgen, Lesungen, Workshops wurden Inhalte von, über und mit lesbischen Frauen geboten, die in der Öffentlichkeit und in den Medien selten als einander verbindende Aspekte der Fülle lesbischer Realitäten dargestellt werden. Fachlich prägnant-lebendige Diskussionen und ein respektvolles Miteinander prägten die Veranstaltungen. Junge wie ältere Lesben waren fasziniert von den vielfältigen Inhalten, der lebendigen Programmführung der drei von ihren Hintergründen sehr verschiedenen Moderatorinnen Julia Beck, Simone Danz und Mahide Lein als auch von den umfangreichen Angeboten mit Gebärden- und Schriftdolmetscherinnen – und vernetzten sich im Verlauf der Zoom-Webinare zügig.

Die Bildschirme vibrierten: lesbisches Leben in Präsenz. Der internationale und interkulturelle Austausch wurde sichtbar in Filmen wie «Katzenball» samt Zoom-Gespräch mit der Regisseurin Veronika Minder (Schweiz), «Rafiki» (Kenia), «Audre Lorde – die Berliner Jahre» (D), «Another Day in Paradise» (D) mit Livezuschaltung der Regisseurin Naomi Beukes-Meyer. Lesbische Biographieforschung und feministisches Publizieren hatte sowohl in Einzelvorträgen, Filmen als auch in je eigenen Panels breiten und internationalen Raum – ausführlich nachzulesen im LFT2021-Programmheft.
Zeitzeuginnengespräche der 70er- und 80er-Jahre und elementare Gesundheitsthemen von Frauen wie Heilwege mit Brustkrebs, Lesbenrespektierende Pflege, Lesben gegen rechts oder Lesben in Coronäischen Zeiten waren bewegende Inhalte. Labyrinth und Zeit-Raum als kulturelles Bewusstsein wie gelebter Weg gegenüber einer schier unausweichlichen weltweiten Gewaltdynamik schufen ebenso wie die Praxisworkshops mit Taiji/Qigong oder Yoga Verbindungen, denen auch zukünftig (wieder) mehr politische Relevanz zu wünschen ist.

Ein Highlight war das zweistündige Livepanel im Studio zum Thema «Macht – Sinnlichkeit – Würde: Feministische Positionen um Körper» mit Prof. Dr. Simone Danz (Moderation), Prof. Dr. Monika Barz, Isabel, Dr. Inge Kleine, Dr. Astrid Osterland und Dr. Susan Hawthorne. Welche Rolle spielt «der Körper» als gelebtes Subjekt oder Objekt in Politik, Pädagogik, Arbeitsmarkt, Heilkunde oder Pharmaindustrie, zum Beispiel bei Geschlecht, Begehren, Gebären, Sexualität und Behinderung war eine der Fragestellungen. Selten haben so unterschiedliche Frauen so differenziert und zuhörend einige Aspekte ihres EigenSeins und ÜberLebens in einer mädchen-, frauen-, lesben-, mütter- und behinderten- feindlichen Gesellschaft ausgetauscht und manche FrauLesbe angeregt, über Gemeinsamkeiten der Verschiedenheiten und Verschiedenheiten des Gemeinsamen die eigene Stärke zu nähren.

Besonders eindrücklich erlebten viele Teilnehmerinnen die von Lepa Mladjenovic (Serbien) und Helen Thomsen (UK) vorgestellte Kampagne «Lesbians for feminist peace internationally» mit Referentinnen aus Zimbabwe, Uganda, Südafrika und Kenia. Eine Gruppe Schwarzer Lesben, die aus dem Flüchtlingscamp des «Block 13 LGBT+ people, Kakuma refugee camp» aus Kenia direkt per Handy zugeschaltet und glücklich war, unmittelbar via Zoom gehört zu werden, relativierte mehr als deutlich, in welch komfortabler Situation sich manche KritikerInnen dieses LFT2021 befinden.
Wenn zudem urfeministische Themen wie Separatismus (eindrücklich präsentiert von der australischen Autorin und Verlegerin Dr. Susan Hawthorne) oder die kritische Beleuchtung von Reproduktionsrechten (Dr. Renate Klein) oder deutschsprachige Gesetzesvorlagen direkt berührende Themen wie Cotton Ceiling (Angela Wild) oder Detransition (Sabet) in eine rechte, biologistische Ecke geschoben werden sollen, statt aufmerksam hinzuhören, was alte bis junge lesbische Feministinnen dazu zu sagen haben, könnten gerade auch sich links verortenden ProtagonistInnen der LSBTIQ*-Community eher Zweifel an der eigenen Politik kommen, statt eine mediale Hatz ausgerechnet gegen lesbische Feministinnen anzustacheln.

Die Fülle des Abendprogramms konnte überraschen und begeistern mit zwei brillanten Discos (Djane Eléni, DJ Alister) sowie Frauen-/Lesbenmusik und -theater von Neapel (Mujeres Creando) über New York (Oxana Chi), England (Rosemary Schonfeld), der Ukraine (Olga Krause), Amsterdam (Shishani) bis Berlin (Rag Doll und Sigrid Grajek). Das Trio Zuckerklub aus Berlin sprang kurzfristig für eine abgesagte Künstlerin ein und spielte live aus Bremen: lesbenpolitische Kultur neu und wieder gelebt. Die erste virtuelle 3D-Kunstausstellung (bis 31.8. über die Homepage zu sehen) und eine wiederholt eingespielte Diashow aus der Geschichte vieler LFTs von Leo R. Tesch rundeten das kulturelle Angebot ab.

Leider wurde der Beginn des inhaltlichen Onlineprogramms am Samstag durch zwei Denial of Service-Angriffe gestört, doch konnte durch die unaufgeregte Zusammenarbeit aller Beteiligten dieses die Verantwortlichen nicht sonderlich überraschende Problem in kurzer Zeit gelöst werden und das virtuelle LFT2021 Bremen bis Sonntagnacht störungsfrei stattfinden.

Manche Teilnehmerin stellte erstaunt fest, dass der Shitstorm gegen die so genannte uneinsichtige Orga, gegen Referentinnen und Moderatorinnen im Kern antifeministisch, sprich frauenfeindlich ist. Die «abhanden gekommene Schirmfrau» Claudia Bernhard, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, war zwar bedauerlich, konnte jedoch verschmerzt werden. Neben bekannten Liedern der Flying Lesbians stand der Eröffnungsgruß von Prof. Dr. Monika Barz zum «legendären Lesbenfrühlingstreffen», in der sie den Raum benannte: «Debatten sind ein zentrales Merkmal von Demokratie und Meinungsvielfalt. Wir verteidigen unsere Räume, in denen wir frei denken und reden. Was ist passiert, dass dies bisher ungestraft angegriffen werden darf? Wir Lesben haben eine lange Tradition darin, basisdemokratisch, inklusiv und kontrovers zu diskutieren und wir werden es weiterhin tun!»
Nicht zuletzt wurde die kurz vor dem LFT2021 verstorbene Alix Dobkin (1940–2021) für die Orga eine wichtige Stütze. Die Sängerin und lesbisch-feministische Wegleiterin hielt ihren liebevollen Schirm über das LFT2021. Es war ein besonderer Moment, als die englische Musikerin und Poetin Rosemary Schonfeld während der Ouvertüre zu Ehren Dobkins «The Woman in your live is you» live übertragen sang.

Fazit des hybriden LFT2021 Bremen
Die Orga hatte alle Kräfte gebündelt und bekam unerwartet viel Unterstützung und spürbare Solidarität von Lesben aus Deutschland und überallher. Autonome, eigenständige Lesben, Frauen – darunter auch trans Frauen – aller Generationen trugen die Orga-Gruppe mit und durch das LFT2021. Dialog und Begegnung waren auch mit verschiedenen feministischen Haltungen und Prägungen respektvoll möglich. Differenz und Unabhängigkeit von Frauen, von Mädchen, von lesbischen Frauen brauchen im ursprünglichen wie übertragenen Sinn Raum.
Das Orga-Team des LFT201 Bremen bedankt sich herzlichst bei allen Beteiligten, MitwirkerInnen und Unterstützerinnen, bei Teilnehmerinnen, Referentinnen, Künstlerinnen und allen, die hier jetzt nicht explizit erwähnt sind, für Lob und Kritik und die vielen Solidaritäts-, Protest- und Dankesschreiben sowie für die großzügigen Spenden.
Die Orga wünscht den nachfolgenden Orga-Gruppen für 2022 Dresden, 2023 Schwäbisch-Hall, 2024 Berlin viel Energie und Gelassenheit und Präsenz für die Organisation der kommenden Lesbenfrühlingstreffen.